Forschungsprogramm

Gibt es im Netz auf jede Frage eine Antwort? Sind Zeitungen, Zeitschriften und Bücher in wenigen Jahren verschwunden? Wieso funktionieren Marketing und PR nicht mehr wie bisher? Hat das Internet erkenntnistheoretische Konsequenzen? Ist der Computer eine Bedrohung für den Menschen oder bildet sich mit seiner Hilfe eine Kultur uneingeschränkter Freiheit?

Mit der Einführung des Internets als Verbreitungsmedium ist die Gesellschaft mit neuen Kontingenzerfahrungen konfrontiert: Jeder kann im Internet an Kommunikation teilnehmen, also Irritationen auslösen. Jeder, das sind prinzipiell unendlich viele Bewusstseinssysteme. Die Menge an unterschiedlichen Kommunikationsangeboten, die jetzt offeriert wird, ist beinahe unüberschaubar groß und aus Sicht der Gutenberg-Galaxis nicht mehr zu bewältigen. Der entstandene Sinnüberschuss sprengt – hyperirritierend – jene Mechanismen, die sich mit dem Übergang in die moderne Gesellschaft zur erfolgreichen Fortsetzung der Kommunikation etabliert hatten.

Demgegenüber hat es die Kommunikation mit konkret begrenzten Aufmerksamkeitspotenzialen der prozessierenden Systeme zu tun. Im Zeitalter des Internets ist Aufmerksamkeit eine knappe Ressource. Daraus ergibt sich, dass mindestens eine Schwelle, die zur Motivation von Kommunikation überwunden werden muss, nicht mehr hinreichend häufig in Wahrscheinlichkeit transformiert werden kann: erreicht Kommunikation überhaupt einen Adressaten?

Das ist ein Problem für die Autopoiesis der Gesellschaft. Sie muss folglich auf ihr jüngstes Verbreitungsmedium reagieren und ihre Strukturen an die neuen Kommunikationsbedingungen anpassen, will sie ihren Fortbestand nicht riskieren. Diese Anpassungsleistungen bilden den zentralen Themencluster, der die Arbeit der Mitglieder von Gesellschaft und Kontingenz orientiert. Die wissenschaftliche Perspektive des Forschungskollegs ist es, Erklärungspotenziale zu kondensieren und der Selbstbeobachtung der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Dazu nimmt das Forschungskolleg eine interdisziplinäre Perspektive ein, die durch eine grundlegende inhaltliche und personelle Offenheit einerseits und andererseits durch eine starke Vernetzung mit weiteren Projekten reflektiert wird.